23.07.2018 – Man ist versucht, die Nachricht mit „die Würfel sind gefallen“ einzuleiten, doch würde dies bei der Wahl zum „Spiel des Jahres“ ein hohes Maß an Zufall unterstellen. Definitiv brauchten aber die Nominierten mehr als nur Glück, um sich in den Überlegungen der Jury gegen die weiteren Anwärter auf den bedeutendsten Preis der Spieleszene durchzusetzen. Am Ende trug Azul von Michael Kiesling, veröffentlicht bei Next Move / Pegasus, in der Hauptdisziplin den Sieg davon und ließ damit Luxor von Rüdiger Dorn (Queen Games) und The Mind von Wolfgang Warsch (Nürnberger-Spielkarten-Verlag) hinter sich. Handwerker wetteifern in Azul, den Palast des portugiesischen Königs mit schönen Keramikfliesen zu dekorieren, und müssen diese pünktlich und in geeigneter Zahl aus den Fabriken beziehen, um ihre Mosaike zu vervollständigen. Die Begründung der Jury: „Das abstrakte Azul vereint vermeintliche Gegensätze: Die fast schon nüchterne Funktionalität des Spielbretts ist ein gelungener Kontrast zur wunderbaren Ästhetik des entstehenden Mosaiks. Die Haptik der Kachelsteine verstärkt den wertigen Eindruck. Allein das Material ist ein Genuss. Zudem ist Autor Michael Kiesling die Meisterleistung gelungen, einem einfachen Auswahlmechanismus so viel Tiefgang zu verleihen, dass dieser einen nahezu endlosen Wiederspielreiz auslöst.“ Nach Tikal 1999 und Torres 2000 ist es schon die dritte "Spiel des Jahres"-Trophäe für Kiesling. 

Als „Kennerspiel des Jahres“ für erfahrene Spieler wurde Wolfgang Warschs Die Quacksalber von Quedlinburg ausgezeichnet, erschienen bei Schmidt Spiele. Mit einem wilden Zutatenmix werden darin nach dem Zufallsprinzip Tränke gebraut, wobei auch schon mal der Kessel in die Luft fliegen kann. Die Jury begründete ihre Wahl: „Das Köcheln mit zufällig gezogenen Zutaten sorgt bei Die Quacksalber von Quedlinburg für Geschmacksexplosionen und für ein Feuerwerk der Emotionen. Schadenfreude, Jubel und Wehklage wechseln sich in schneller Abfolge ständig ab. Ein reines Glücksspiel? Nein, denn Autor Wolfgang Warsch lässt den Spielern dank des exquisiten Grundrezepts viele taktische Freiheiten beim Verfeinern. So wird aus der Tüten-, äh Beutelsuppe ein schmackhaftes Gericht für Spielegourmets.“ Den 1980 in Österreich geborenen, hauptberuflichen Molekularbiologen hatte bis vor kürzerem wohl kaum jemand auf dem Radar, weshalb es umso eindrucksvoller war, dass er es einmal für das „Spiel des Jahres“ und gleich zweimal für das „Kennerspiel des Jahres“ in die Endrunde schaffte. Auf den "Kennerspiel"-Plätzen landeten mit Ganz schön clever eine weitere Warsch-Idee aus demselben Verlag sowie Heaven & Ale, das der frisch mit dem Hauptpreis geehrte Michael Kiesling zusammen mit Andreas Schmidt bei eggertspiele publizierte.

Wie schon vorher angekündigt, ging ein Sonderpreis an Pandemic Legacy - Season 2 von Matt Leacock und Rob Daviau (Z-Man Games). „Ein Spiel wie ein Thriller“, so Jurysprecher Bernhard Löhlein. In einem postapokalyptischen Setting versuchen die Spieler gemeinsam, die Welt vor einer todbringenden Seuche zu retten. Spielmaterialien verändern sich nach dem „Legacy“-Konzept während einer Partie dauerhaft. Zehn Jahre nach dem Grundspiel und zahlreichen Erweiterungen toppe die Fortsetzung das erste Pandemic Legacy und sei der Maßstab, an dem sich künftige Legacy-Spiele messen lassen müssten, sagte Jurymitglied Chris Mewes.

Bernhard Löhlein erzählte, inzwischen werde er nicht mehr gefragt, ob sich analoge Gesellschaftsspiele im digitalen Zeitalter durchsetzen könnten, sondern warum sie sich durchsetzten; er selbst erklärte diesen Erfolg teils einfach auch damit, dass die Qualität der Spiele weiter zugenommen habe. Das „Kinderspiel des Jahres“, Funkelschatz von Lena und Günter Burkhardt (Haba), war schon im Juni prämiert worden. In YouTube-Videos vermittelt die Jury einen Eindruck von sämtlichen Nominierten und dem Gewinner des Sonderpreises. Interessant war dieses Jahr, wie viele Spiele ursprünglich ganz andere Themen hatten und erst in der Redaktionsarbeit ihr endgültiges Szenario fanden – aus einer Würfelfarm wurde bei Ganz schön clever ein abstrakteres Konzept, und bei Luxor verwandelten sich Affen in Abenteurer.

Am Rande der Preisverleihung wurde bekannt, dass Harald Schrapers neuer Vorsitzender der Jury ist und Tom Felber ablöst, der den Posten seit 2011 innehatte. Schrapers, Spielerezensent u.a. für die spielbox und hauptamtlicher Pressesprecher für zwei Parlamentsabgeordnete, durfte bei der Verleihung gleich selbst Hand anlegen und die von Tüchern verdeckten Preisträger ins Rampenlicht rücken.

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One is tempted to preface this news item with „the die is cast“, yet this would imply the „Spiel des Jahres“ balloting involved a high degree of chance. But the nominees definitely needed more than luck to come out as winners in the jury's deliberations, prevailing against the other contenders for the most prestigious board game award. In the end Azul by Michael Kiesling, published by Next Move / Pegasus, won the main prize as „Spiel des Jahres“. It outpaced the other nominees, Luxor by Rüdiger Dorn (Queen Games) and The Mind by Wolfgang Warsch (Nürnberger-Spielkarten-Verlag). Azul's craftsmen decorate the Portuguese king's palace with beautiful ceramic tiles; in order to complete their mosaics, they have to order the tiles from factories in time and in appropriate amounts. According to the jury, the abstract Azul unites perceived opposites: „the game board's almost sober functionality successfully contrasts with the wonderful aesthetics of the developing mosaic. The tiles' haptic reinforces the high-quality impression. The materials by themselves are a joy. On top of that, author Michael Kiesling achieved a masterly feat by providing a simple selection mechanism with enough depth to create almost neverending replay value.“ After Tikal in 1999 and Torres in 2000, this is already Kiesling's third „Spiel des Jahres“ trophy.

As „Kennerspiel des Jahres“, the best game for experienced players, the jury honored Wolfgang Warsch's Die Quacksalber von Quedlinburg, published by Schmidt Spiele. It uses a wild, randomly selected mixture of ingredients to brew potions which can even detonate the players' cauldrons. The jury explained its choice: „cooking with Die Quacksalber von Quedlinburg's randomly drawn ingredients makes for taste explosions and fireworks of emotions. Schadenfreude, jubilance and lamentation alternate constantly in quick succession. A pure game of luck? No, because author Wolfgang Warsch grants players extensive tactical freedom, thanks to an exquisite basic recipe. This turns soup in packets (or bags, to be precise) into a tasty gourmet dish.“ Until recently, hardly anyone had had the full-time molecular biologist, born 1980 in Austria, on their radar, which makes three nominations in the same year – once for „Spiel des Jahres“ and twice for „Kennerspiel des Jahres“ – all the more impressive. Further „Kennerspiel“ candidates were Ganz schön clever, another Warsch idea by the same publisher, as well as Heaven & Ale, created by main prize recipient Michael Kiesling together with Andreas Schmidt, edited by eggertspiele.

As announced earlier, a special award was bestowed on Pandemic Legacy - Season 2 by Matt Leacock and Rob Daviau (Z-Man Games). „A game like a thriller“, commented jury speaker Bernhard Löhlein. In a post-apocalyptic setting, players cooperatively try to save the world from a lethal disease. Following the „legacy“ principle, the game's materials change permanently during each playthrough. Ten years after the original game and numerous add-ons, the sequel surpassed the first Pandemic Legacy, juror Chris Mewes said; it was the new benchmark for all future legacy games.

As Bernhard Löhlein told the audience, people had stopped asking him if analog board games could stay relevant in the digital age and started asking why they did so; the jury speaker himself explained this success at least in part with the games' steadily increasing level of quality. The best children's game of the year, Funkelschatz by Lena and Günter Burkhardt (Haba), had already received the „Kinderspiel des Jahres“ award in June. The jury's YouTube channel shows all nominees and the winners of the special prize in German language. One interesting aspect of the current vintage was how many games started out with an entirely different subject-matter and found their ultimate setting in the editorial process – Ganz schön clever's dice farm changed to a more abstract concept, and Luxor transformed monkeys into adventurers. 

The award presentation also introduced Harald Schrapers as the new jury chairman, taking over from Tom Felber who had chaired the board since 2011. Schrapers, game reviewer for spielbox among others and in his main profession media spokesman for two members of the German parliament, lent his own hand to the ceremony by moving the cloth-covered winner products into the spotlight.